Lieferkettenrichtlinie: Sachverständigenrat empfiehlt Reform statt Abschaffung
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In seinem aktuellen Frühjahrsgutachten 2025 spricht sich der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für den Erhalt der noch nicht in Kraft getretenen EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) aus. Gleichzeitig betont er die Notwendigkeit gezielter Reformen, um Bürokratiekosten zu begrenzen und die Umsetzung für Unternehmen praktikabler zu gestalten.
Nachhaltigkeit wirtschaftlich sinnvoll
Laut Gutachten sollte die CSDDD nicht aufgehoben, sondern überarbeitet werden. Ziel sei es, ein wirksames Instrument zur Förderung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang globaler Lieferketten zu erhalten, ohne die betroffenen Unternehmen unverhältnismäßig zu belasten. Der Sachverständigenrat verweist darauf, dass die europäische Richtlinie in einigen Punkten über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das seit 2023 gilt, hinausgeht. So bezieht sich die CSDDD auf die gesamte Lieferkette, einschließlich mittelbarer Zulieferer, und enthält umfassendere Berichtspflichten. Gleichzeitig betrifft sie weniger Unternehmen als das LkSG, da höhere Schwellenwerte gelten.
Abweichende Meinung im Gremium
Nicht alle Mitglieder des Sachverständigenrats tragen diese Position mit. Veronika Grimm spricht sich in einem Sondervotum für eine Abschaffung der CSDDD aus. Die übrigen vier Mitglieder – Monika Schnitzer, Ulrike Malmendier, Martin Werding und Achim Truger – unterstützen eine Reform.
EU-Kommission bereits mit Änderungsvorschlägen aktiv
Auch die EU-Kommission hat Reformvorschläge eingebracht.
Dazu zählen:
• die Beschränkung auf direkte Geschäftspartner
• eine Überprüfungspflicht alle fünf Jahre
• der Verzicht auf zivilrechtliche Haftung, die bislang stark umstritten war
Konkrete Reformvorschläge des Sachverständigenrats
Der Rat schlägt zwei konkrete Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen vor:
1. Positivlisten: Länder oder Unternehmen, die bereits hohe Standards bei Menschenrechten oder Umweltschutz einhalten, sollen als „vertrauenswürdig“ eingestuft werden. Dies könnte den Prüfaufwand für Unternehmen senken.
2. Verzicht auf Gold-Plating: Die nationale Umsetzung soll nicht über das EU-Niveau hinausgehen. Zusätzliche nationale Anforderungen sollen vermieden werden, um die Wettbewerbsfähigkeit nicht unnötig zu gefährden.
Beide Vorschläge zielen auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen regulatorischer Wirksamkeit und wirtschaftlicher Zumutbarkeit.
Kostenbelastung durch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Im Gutachten wird auch das bestehende deutsche LkSG bewertet. Das Statistische Bundesamt beziffert die direkten Bürokratiekosten für betroffene Unternehmen auf rund 15,1 Millionen Euro jährlich. Bei derzeit rund 4.800 erfassten Betrieben entspricht das etwa 3.150 Euro pro Unternehmen. Der Rat weist zudem auf indirekte Zusatzkosten hin, etwa durch Weitergabe von Pflichten an kleinere Zulieferer, die selbst nicht unter das Gesetz fallen.
Wirksamkeit bleibt vorerst unklar
Der Rat macht deutlich, dass bisher keine belastbaren Aussagen zur tatsächlichen Wirkung der Sorgfaltspflichtengesetze möglich seien. Die Gesetze seien noch zu jung, um fundierte Schlüsse hinsichtlich ihrer Effekte auf Menschenrechts- oder Umweltstandards zu ziehen. Eine Evaluation des deutschen LkSG durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist bis 2026 vorgesehen. (cw)