Diversität – Risiko- oder Erfolgsfaktor?
In den USA etabliert sich eine neue Form des zivilgesellschaftlichen Protests – nicht auf der Straße, sondern im Supermarktregal. Organisierte Boykottbewegungen treffen zunehmend Unternehmen, die sich entweder nicht eindeutig zu Diversität bekennen oder Diversity-Initiativen (Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion – DEI) zurückfahren. Die wirtschaftlichen Folgen sind bereits sichtbar – und sie senden eine klare Botschaft: Werte kosten. Aber sie lohnen sich auch. In einem Beitrag für das Handelsblatt berichtet US-Korrespondent Laurin Meyer, wie Initiativen wie „The People’s Union USA“ Firmen wegen beendeter Vielfaltsprogramme unter Druck setzen.
Konsum als politische Waffe
Bewegungen wie „The People’s Union USA“ nutzen soziale Netzwerke, um Boykotte gezielt zu koordinieren. Anders als spontane Shitstorms im Netz, handelt es sich dabei um systematisch vorbereitete Kaufverweigerungen – insbesondere gegenüber Unternehmen, die sich gegen „Wokeness“ positionieren oder Diversity-Initiativen zurückfahren.
Der Hintergrund: Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten erwarten von Unternehmen ein klares gesellschaftliches Engagement – etwa gegen Rassismus, Diskriminierung oder soziale Ungleichheit. Bleibt dieses aus, wird der Konsum eingestellt. Und das durchaus mit Wirkung.
Die betroffenen Unternehmen
Besonders stark unter Druck geriet jüngst der US-Konzern Target. Das Unternehmen hatte seine LGBTQ+-Kollektion nach konservativer Kritik aus Teilen der Filialen entfernt – mit spürbaren Folgen: Laut Management verzeichnete Target einen messbaren Umsatzrückgang. Der Vorwurf der Aktivisten: Werte seien aus Angst vor politischem Gegenwind geopfert worden. „Die Baumarktkette steht damit keinesfalls alleine da. Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump haben zahlreiche Konzerne angekündigt, ihre Programme für mehr Vielfalt zurückzufahren oder ganz einzustellen“, berichtet Laurin.
Auch Starbucks, McDonald’s und Amazon stehen unter Beobachtung. Unternehmen, die Vielfalt und soziale Verantwortung nicht glaubhaft leben oder ihre Kommunikation zu stark relativieren, geraten schnell ins Visier – und verlieren an Vertrauen wie auch Marktanteilen.
Wirtschaftlicher Impact
Zwar bleibt der volkswirtschaftliche Gesamtschaden bisher überschaubar, doch einzelne Konzerne spüren die Auswirkungen bereits in ihren Quartalszahlen. Der gezielte Boykott zeigt: Wertegetriebene Konsumenten organisieren sich zunehmend professionell – und sie greifen zu einem der wirksamsten Mittel: ihrem Geldbeutel.
Diversität als strategischer Faktor
Die Entwicklung macht deutlich: Diversität ist längst kein optionaler PR-Baustein mehr, sondern ein echter Erfolgs- oder Risikofaktor. Unternehmen, die Vielfalt nicht authentisch leben oder opportunistisch behandeln, laufen Gefahr, an gesellschaftlicher Legitimität – und letztlich an Umsatz – zu verlieren.
Der Druck kommt dabei nicht nur von links-progressiven Gruppen. Auch konservative Organisationen führen inzwischen Gegenboykotte durch – etwa gegen Unternehmen, die aus ihrer Sicht „zu woke“ sind. Die gesellschaftliche Polarisierung wird damit direkt ins Marktgeschehen übertragen.
Fazit: ESG heißt auch Haltung
Für Unternehmen bedeutet das: ESG ist keine interne Compliance-Frage, sondern ein Thema mit Außenwirkung. Wer Vielfalt und soziale Verantwortung glaubwürdig umsetzt, schützt nicht nur seine Reputation, sondern sichert auch seine wirtschaftliche Stabilität in einem zunehmend wertorientierten Marktumfeld. Haltung wird damit zum Bestandteil der Markenführung. (fra)