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Nachhaltigkeit – ein immer noch unterschätztes Thema?

6. Oktober 2022

Allgemeines · Governance · Soziales

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Bernd Geier, Partner Rimon Falkenfort Rechtsanwälte.

Nachhaltiges Wirtschaften wird immer wichtiger. Häufig ist unklar, was konkret unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist – und damit konsequenterweise, wo die Grenzen des Greenwashings liegen.

Zumindest für den Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit in der EU-Taxonomie-Verordnung entwickelt sich nunmehr jedoch ein homogenes Meinungsbild. So setzt sich die Auffassung durch, dass Nachhaltigkeit dort binär zu verstehen ist: eine Wirtschaftstätigkeit ist entweder ökologisch nachhaltig oder nicht. Der Grad der Nachhaltigkeit (d.h. die prozentual anteilige Nachhaltigkeit) spielt erst auf der Ebene mehrere aggregierter Wirtschaftstätigkeiten eine Rolle: Dann wird typischerweise der Anteil der Nachhaltigkeit quotal auf Basis der Umsatzerlöse bzw. Kapitalausgaben der einzelnen Wirtschaftstätigkeiten berechnet. Das ändert aber nichts daran, dass jede einzelne Wirtschaftstätigkeit entweder vollständig nachhaltig ist oder nicht. Damit ist die Bestimmung der relevanten Wirtschaftstätigkeiten und deren Prüfung von entscheidender Bedeutung, zumindest für Wirtschaftstätigkeiten, bei denen eine ökologische Nachhaltigkeit in Betracht kommt.

Diese Prüfung führt häufig dazu, dass auch als nachhaltig empfundene Tätigkeiten mangels verfügbarer Datenlage oder wegen unzureichenden Compliance-Strukturen (noch) nicht als nachhaltig eingestuft werden können. Eine Wirtschaftstätigkeit ist nämlich nur dann ökologisch nachhaltig, wenn sie kumulativ (i) einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung mind. eines Umweltziels leistet, (ii) zu keiner erheblichen Beeinträchtigung eines Umweltziels führt und (iii) den Vorgaben des Mindestschutzes genügt. Die Kriterien nach (i) und (ii) werden im Wesentlichen in den Anhängen zur Taxonomie-Verordnung konkretisiert. Dort wird (aktuell für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel) im Detail und anhand von Schwellenwerten festgelegt, wie die Wirtschaftstätigkeit ausgestaltet sein muss (z.B., wieviel CO2 emittiert werden darf), und welche Prüfungen und Analysen durchzuführen sind.

Weitgehend unterschätzt wird die Bedeutung des dritten Kriteriums: des Mindestschutzes. Nur, wer auch im Bereich Soziales und Menschenrechte Mindeststandards einhält, genügt der Taxonomie-Verordnung. Im Vordergrund steht die unternehmensinterne Umsetzung von Sorgfaltspflichten – die Mechanik ähnelt dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Es sind u.a. die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die Grundprinzipien und Rechte aus den acht ILO-Kernübereinkommen unternehmensintern abzubilden. Die Regeln adressieren ausdrücklich auch unternehmensinterne Prozesse, inkl. der Frage, inwieweit die Lieferkette und sonstige Dritte einzubeziehen sind. So können Verstöße außerhalb der eigentlichen Wirtschaftstätigkeit Einfluss auf deren ökologische Nachhaltigkeit nehmen, wenn z. B. bei unmittelbaren Zulieferern schwere Menschenrechtsverletzungen nicht erkannt werden. Die Bedeutung des Mindestschutzes kann damit nicht unterschätzt werden.

Portrait des Autors, Prof. Bernd Geier
Autor: Prof. Dr. Bernd Geier, Partner von Rimon Falkenfort Rechtsanwälte

Prof. Dr. Bernd Geier ist Referent des im November 2022 stattfindenden ESG-Lehrgangs von WM Seminare.