Proxy Voting: Abstimmungspolitik in den USA und Europa nimmt Umwelt und Soziales in den Fokus
Nach Abschluss der diesjährigen Hauptversammlungssaison hat das Fonds-Analysehaus Morningstar in einer Studie über das Proxy Voting festgestellt, dass sich die Trends sowohl bei der Anzahl der Anträge als auch bei der Unterstützung durch die Aktionäre stark verändert haben. Die Unterschiede zwischen US-amerikanischen und europäischen Asset Managern in Bezug auf ihren ESG-Fokus nehmen ab. Die Aufhebung der auf Donald Trump zurückgehenden Beschränkung von Aktionärsberatern zeigt Wirkung.
Beschränkung beim Proxy Voting durch Trump ist aufgehoben
Auf Aktionärsversammlungen ist es mittlerweile üblich, dass insbesondere Umwelt- und Sozialthemen sowohl in den Beschlussvorschlägen der Verwaltung als auch in denen der Aktionäre auftauchen, wobei letztere in diesem Jahr rapide angestiegen sind. Die aktuelle Morningstar-Studie beleuchtet die Abstimmungspolitik von 25 großen Vermögensverwaltern – 12 in den USA und 13 in Europa – und analysiert die wichtigsten E&S-Themen, die sie abdecken. Die 25 Asset Manager verwalten ein Vermögen von 54 Billionen Dollar, wobei die US-Vermögensverwalter fast drei Viertel der Gesamtsumme ausmachen.
Laut Studie hat in diesem Jahr die Zahl der Aktionärsanträge zu umweltbezogenen und sozialen Themen stark zugenommen. Bis Juni 2022 wurden mehr als 250 E&S-Aktionärsanträge von den Verwaltungen der Unternehmen zurückgewiesen, verglichen mit 145 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Aufhebung der aus der Trump-Ära stammenden Beschränkungen für solche Aktionärsanträge in den USA Ende 2021 war ein wichtiger Katalysator für diesen Anstieg. Erst im Juli dieses Jahres hat sich auch die SEC von den durch Trump eingeführten Beschränkungen in Bezug auf Proxy Voting losgesagt, wie Reuters schreibt.
Starkter Unterschied zwischen USA und Europa
Anhand ihrer aktuellen Richtlinien zur Stimmrechtsvertretung hat Morningstar die 25 Asset Manager hinsichtlich ihrer allgemeinen Philosophie der aktiven Beteiligung (Active Ownership) und ihre Haltung zu umweltbezogenen und sozialen Themen bewertet. Auf dieser Grundlage wurden die Vermögensverwalter in vier Kategorien eingeteilt, je nachdem, mit welcher Intensität sie sich auf auf dieseThemen konzentrieren, von sehr stark bis gering. Dabei zeigen sich die US-amerikanischen Vermögensverwalter generell zurückhaltender als ihre europäischen Wettbewerber.
Verwalter mit einem hohen oder sehr hohen E&S-Fokus machen 9 Billionen Dollar an AUM aus und sind, mit Ausnahme von AllianceBernstein, in Europa ansässig. Die „großen drei“ Index-Vermögensverwalter – BlackRock, Vanguard und State Street – verwalten insgesamt 23 Billionen Dollar an AUM; alle drei haben einen mittleren E&S-Fokus. Morningstar erklärt diesen interkontinentalen Unterschied mit einer anderen Rechenschaftspflicht gegenüber den Investoren, für die die Vermögen verwaltet werden.
So haben US-Vermögensverwalter lange Zeit einen strikten Shareholder-Value-Ansatz in ihren Beziehungen zum Management von Unternehmen verfolgt, was zum Teil auf die enge Definition der treuhänderischen Pflicht in den USA zurückzuführen ist. Dies steht im Gegensatz zur europäischen Auffassung, wonach die treuhänderische Verantwortung ein breiteres Spektrum von Themen umfasst, einschließlich der Auswirkungen von Unternehmen auf die Umwelt und die Gesellschaft im Allgemeinen.
US-Manager, so konstatiert Morningstar, machen sich jedoch zunehmend eine stärker auf weitere Interessengruppen ausgerichtete Haltung zu Umwelt- und Sozialthemen zu eigen. (cbl)