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EU-Lieferkettengesetz wird konkret

27. Februar 2022

Soziales · Wissen

Nichts weniger als die Förderung von nachhaltigem und verantwortungsvollem unternehmerischem Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten hat sich die Europäische Kommission vorgenommen. Dazu hat sie in dieser Woche den lange erwarteten Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vorgestellt. Erwartungsgemäß gibt es von allen Seiten viel dazu zu sagen: Den einen geht der im Entwurf zum Ausdruck kommende Anspruch der EU Kommission nicht weit genug. Zugleich fürchten die anderen um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.

Drei Gruppen von Unternehmen betrifft das Gesetz

Sowohl der Schutz der Menschenrechte als auch die Einhaltung der wichtigigsten Umweltübereinkommen fordert die EU Kommission von Unternehmen. Sie hat sie in drei Gruppen eingeteilt:

  • Alle EU-Gesellschaften mit beschränkter Haftung von erheblicher Größe und Wirtschaftskraft (mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. EUR weltweit).
  • Andere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die in bestimmten ressourcenintensiven Branchen tätig sind und die nicht beide Schwellenwerte der ersten Gruppe erfüllen, aber mehr als 250 Beschäftigte und einen Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. EUR weltweit haben. Für diese Unternehmen gelten die Vorschriften zwei Jahre später als für die erste Gruppe.
  • In der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten, die einen Umsatz in Höhe der oben genannten Gesellschaften innerhalb der EU erwirtschaften.

Das geplante Gesetz soll nicht nur für die Gesellschaften selbst, sondern auch für ihre Tochtergessellschaften gelten. Zusätzlich auch für deren gesamten direkten und indirekten Wertschöpfungsketten.

Zur Erfüllung ihrer Sorgfaltsplicht müssen Unternehmen demnach:

  • die Sorgfaltspflicht zum integralen Bestandteil ihrer Unternehmenspolitik machen,
  • tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt ermitteln,
  • potenzielle Auswirkungen verhindern oder abschwächen,
  • tatsächliche Auswirkungen abstellen oder sie auf ein Minimum reduzieren,
  • ein Beschwerdeverfahren einrichten,
  • die Wirksamkeit der Strategien und Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht kontrollieren und
  • öffentlich über die Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflicht Auskunft geben.

Bei Nichteinhaltung droht den Unternehmen Ungemach von zwei Seiten. Zum einen können nationale Behörden Geldbußen verhängen. Zum anderen wird Opfern eingeräumt, rechtliche Schritte im Falle erlittener Schäden einzuleiten, die bei angemessener Sorgfalt hätten vermieden werden können.

Initiative Lieferkettengesetz geht EU-Entwurf nicht weit genug

Die Initiative Lieferkettengesetz, die sich seit Jahren für ein entsprechendes Gesetz auf nationaler wie auch auf EU-Ebene stark macht, hält das geplante Gesetz nicht für den großen Wurf. Es sind ihr zu wenig Unternehmen, die unter die Sorgfaltspflichten fallen. Sie findet, dass die Kommission dem Lobby-Druck der großen Wirtschaftsverbände nachgegeben habe. Die Intitiative befürchtet vor allem Schlupflöcher bei der Haftung für Menschrenrechtsvergehen. Aber auch die potenziell mangelnde Haftungsmöglichkeit bei Nichteinhaltung von Klimazielen stößt nicht auf viel Gegenliebe bei der Initiative.

EU-Vorschlag übertrifft deutsche Vorgaben und wird vom Mittelstand gefürchtet

In einem umfangreichen Artikel hat das Handelsblatt Stimmen aus der Industrie eingefangen. Demnach handelt es sich bei der Klagemöglichkeit von Betroffenen aus Nicht-EU-Ländern um einen der strittigsten Punkte, gegen den sich bereits verschiedene Industrieverbände ausgesprochen haben. Die deutsche Industrie erscheint indes schlecht vorbereitet auf das EU-Lieferkettengesetz zu sein. Obgleich zwei Drittel der Einkaufsabteilungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie ihre Lieferketten neusortiert hätten, kümmern sich nur 33 Prozent um Nachhaltigkeitsaspekten bei der Beschaffung. (cbl)